2000 – der Weltuntergang findet wieder nicht statt oder von breughel- zu trumpland
für Kammerorchester (2017)
2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 2 Hörner, 2 Trompeten, Posaune, Tuba, Pauken, Schlagwerk (2 Spieler), 6 Violinen I, 5 Violinen II, 4 Violen, 3 Violoncelli, 2 Kontrabässe (2. Fünfsaiter)
03:10
Auftrag des Tiroler Kammerorchester InnStrumenti
UA 10.03.2018 Innsbruck
Das Spiel mit dem Weltuntergang ist ein Spiel mit Zahlen, ein Spiel mit literarischen und wissenschaftlichen Formeln. Jahrhundertealte Vorstellungen wie die herabregnenden Sterne der Johannes-Offenbarung liefern dafür ebenso plastische Bilder wie erst in moderner Zeit vorstellbar gewordene Szenarien: Zum Jahreswechsel 1999/2000 verband sich mit der zahlenmystischen Strahlkraft eines neuen Millenniums unter anderem die Furcht vor einem weltweiten Computer-Crash. Auch dieses apokalyptische Modell erfüllte sich nicht: Wer am ersten Tag des Jahres 2000 erwachte, stellte mit dem Kater des Neujahrstages fest, dass die Welt immer noch existierte. Der Weltuntergang findet wieder nicht statt – oder, um Ligeti zu bemühen: Le Grand Macabre selbst ist zu betrunken, um Breughelland zu vernichten. Mit dem Ausbleiben des Weltendes öffnet sich gleichzeitig ein Fenster in die Gegenwart, zu neuen Untergangsfantasien, die sich ebenso aus alten Metaphern wie neuen Gegebenheiten nähren. In diesem Sinne bündeln sich in der Komposition zum Jahr 2000 Weltuntergangsangst und -lust zu einem dreiminütigen Streifzug von Breughelland zu Trumpland, von Dies irae zu Star-Spangled Banner: Versatzstücke der mittelalterliche Sequenz und der amerikanische Hymne werden zu einer neuen Untergangsvision verschränkt: Dies irae, dies illa / solvet saeclum in favilla / teste David cum Sibylla
– Oh, say, can you see / And the rockets’ red glare / the bombs bursting in air.
Raketen und Bomben beleuchten die im Stück hörbare „Weltpolizei“ USA zwischen globaler Kriegsführung und nationalistischer Abkapselung. Der neue Große Makaber in Trumpland rüstet militärisch und sprachlich auf und teilt aggressive Selbstherrlichkeit über die sozialen Medien mit einem Millionenpublikum. Bleibt uns nur die Hoffnung, dass der Weltuntergang ein weiteres Mal nicht stattfindet?