Memoria – Musik für Ferdinand
nach Musik der Gebrüder Hess 1555 (2017)
3 Blockflöten, Trompete, Posaune, Tuba, Erzlaute, Orgelpositiv, Schlagwerk
17:15
Auftrag der Österreichischen Bundesmuseen aus Anlass der Ausstellungseröffnung „Ferdinand II.“ Schloss AMBRAS
UA 14.06.2017 Schloss Ambras Innsbruck
Ferdinand II. und sein Bruder Kaiser Maximilian II. sind die gemeinsamen Widmungsträger des ersten Druckes mit instrumentaler Ensemblemusik in deutschen Landen überhaupt – der zweibändigen, 1555 gedruckten Sammlung Etlicher gutter Teutscher und Polnischer Tantz der Brüder Bartholomäus und Paul Hess; beide Stadtpfeifer im schlesischen, von Prag aus verwalteten Breslau.
Die Musik der Ausstellungseröffnung greift die Vorlagen der Brüder Hess auf, führt sie aber zu den musikalischen Ausdrucksmitteln unserer Zeit. Sie will einen Bogen, wie die Ausstellung selbst von der Vergangenheit in die Gegenwart in Form eines Gedächtnisses schlagen. Der memoria-Gedanke war für Erzherzog Ferdinand II. prägend. „Wer ime [= sich] im leben kain gedechtnus macht, der hat nach seinem tod kain gedechtnus, und demselben menschen wird mit dem glockendon vergessen“. Ausgehend von diesem Diktum seines Urgroßvaters Maximilian I. war es ihm angelegen, das Gedenken an seine dynastischen Vorfahren, an die heldenhaften Kriegsherren edlen christlichen Geblüts sowie an sich selber dauerhaft in der Geschichte zu verankern. Neben diesem offiziellen Ansinnen gab es natürlich auch den Privatmenschen; den Kaisersohn, der sich aus Liebe verheiratete, den Träger dieses und jenes Charakterzuges, über den das eine oder andere spekuliert wurde. All dem trägt diese Musik Rechnung – nicht zuletzt im Titel. Memoria ist ein Gedächtnisspiel, ernsthaft zwar, aber eben doch ein Spiel.
Fanfare: Virtus - der Kayser, Kinig, Fürsten, und Obristen gedechtnusen
Ort: Rüstkammern – Spanischer Saal
An sie kann man denken, wenn die Fanfare erklingt – noch dazu, wenn man gerade im Spanischen Saal sitzt, dessen Wände diese Helden zieren: ein bunter Aufzug mit Pauke und Trompete.
Pavana: Sapientia – mit grosser mühe vnd kosten zusammengebracht
Ort: Bibliothek
In Gedanken kann man sich weiterbewegen: in die Bibliothek nämlich, deren Bestände sich mittlerweile in der Österreichischen Nationalbibliothek und an der Tiroler Landesbibliothek der Universität Innsbruck befinden. Das Wissen im Medium der Zeit – den Büchern – zu versammeln und zu tradieren, war höchste fürstliche Tugend. Ob Erzherzog Ferdinand II. selbst weise war, wissen wir nicht, aber er war jedenfalls ein kluger Sammler.
Saltarello: Curiositas – Edl, Wolgeborn, Gelert
Ort: Kunst- und Wunderkammer
Kein Ort weist die geistige Sprunghaftigkeit Ferdinands II. besser aus als die Kunst- und Wunderkammer. Alles, was dort versammelt ist, weist den Erzherzog als mit kindlicher Neugier ausgestattet aus. Man bedenke: Ein ganzer Kontinent war – es ist noch nicht allzu lang her – entdeckt worden, und man erkundete neue Seewege dorthin, wo der Pfeffer wächst. Ja natürlich, auch die Liebe zu Philippine Welser hatte etwas mit Neugier zu tun!
Galliarda: Fides – deswegen soll er mit Huelff der Göttlichen genaden nur getrost hinziehen / den Christlichen Glauben / vnnd das allgemeine Vatterlandt vor des Türggen tyrannischen Waffen / vnnd dem antroenden endelichen verderben und undtergang / tapfer und ritterlich zu beschützen und zu verfechten
Ort: Nikolauskapelle
Es klingt in unseren Tagen geradezu fatal, aber es war eben so: Der durchaus ob seines Reichtums und seiner Kultiviertheit hochgeschätzte Sultan war Erzfeind des christlichen Kaisers. Die große Zeit der Toleranz sollte erst in Lessings Zeiten kommen. Oder ist sie bis herauf in unsere Tage noch immer gar nicht da?