Dunkles zu sagen
nach einem Gedicht von Ingeborg Bachmann
(1988)
Mezzosopran, Altflöte in G
09:00
UA 27.02.1988 Landesstudio Tirol
Rundfunkmitschnitt ORF Tirol
Die 1988 entstandene Vertonung orientiert sich in formaler Hinsicht und der Wahl des Instrumentariums mit seinen tiefen Registern eng an den primär „musikalischen“ Text. Während der Rhythmus, durch das ruhige Grundmetrum bedingt, in seiner sprachfließenden Zwei- und Dreiteiligkeit eine untergeordnete Rolle spielt, ruft die Intervallik in der Eingrenzung auf kleine Terz und große Septime eine teils archaisierende Wirkung, teils stark harmonische Farbigkeit hervor. Das Wechselspiel beider Partner findet ihre Synthese im Einklang und im Tausch der Klangfunktionen von Vokalen und Konsonanten.
Dunkles zu sagen
Wie Orpheus spiel ich
Auf den Saiten des Lebens den Tod
Und in die Schönheit der Erde
Und deiner Augen, die den Himmel verwalten,
weiß ich nur Dunkles zu sagen.
Vergiß nicht, daß auch du, plötzlich,
an jenem Morgen, als dein Lager
noch naß war von Tau und die Nelke
an deinem Herzen schlief,
den dunklen Fluß sahst,
der an dir vorbeizog.
Die Saite des Schweigens
Gespannt auf die Welle von Blut,
griff in dein tönendes Herz.
Verwandelt ward deine Locke
Ins Schattenhaar der Nacht,
der Finsternis schwarze Flocken
beschneiten dein Antlitz.
Und ich gehör dir nicht zu.
Beide klagen wir nun.
Aber wie Orpheus weiß ich
Auf der Seite des Todes das Leben,
und mir blaut
dein für immer geschlossenes Aug.
Ingeborg Bachmann (1926–1973)